Die Ankunft
Im CARE Büro ein warmes Bonjour. Sabine Wilke, Mitarbeiterin
von CARE, die nach dem Beben ein halbes Jahr in Haiti gearbeitet & gelebt
hat und mit mir diese Reise antritt, ist glücklich viele bekannte Gesichter
wieder zusehen.
Man mag es kaum glauben, aber zwischen all den zerfallenen
Häusern befinden sich kleine hübsche Restaurants, wo man Cola Light bekommt und
Sandwiches, zur Freude aller – also der Expats, denn hier sitzen keine
Haitianer, es sei denn sie arbeiten für eine der NGO’S... Dort sitzend, bekommen wir von den
Kollegen vor Ort unsere nächsten strammen Tage erklärt: Kleinspargruppen & Übergangshäuser
ansehen, Camps die sich im Aufbruch befinden anschauen, Schulen besuchen,
Wasserversorgungssysteme und vieles mehr. Aber dazu mehr, in den kommenden
Tagen!
Dann folgen die Sicherheitsauflagen. Man kann hier nicht
einfach so herum spazieren. Denn es ist hier nach wie vor nicht ungefährlich.
Immer wieder hört man von Entführungen und Überfällen, nicht schwer
nachvollziehbar bei den Lebensbedingungen. Aber man muss auch sagen, dass es in
den Medien immer aufgebauscht wird. Dennoch bin ich hier Gast von CARE und wir
alle halten uns an diese Regeln. Die da heißen: Beim Auto fahren durch Port au
Prince (die Hauptstadt), immer von innen die Türen verriegeln, nicht auf den
Strassen herum laufen und ab 22.30 muss man im Hotel sein. Wenn der Begleiter
auf den Reisen sagt, ‚es ist Zeit zu gehen’ wird aufgebrochen und zwar ohne Diskussion. (Habe ich aber
nie erlebt)
Aber ich fühle mich hier sehr sicher, auch wenn uns Khassim,
unser Fahrer mit der Ruhe und Sicherheit eines geschulten Guides über die
hügeligen und zerrissenen Strassen fährt.
Und mein erster
Eindruck von Port au Prince?
Es ist ein wahnsinniges Gewusel, überall Ecken mit Geröll,
eingestürzte Häuser. Es erinnert an den zweiten Weltkrieg. Durch die Straßenführung
würde ich wahrscheinlich auch nach Jahren nicht durchblicken, also das was man
hier Strassen nennt. Ich habe in ganz Port au Prince eine einzige Ampel gesehen
(an der im übrigen keiner hält) und die Strassen sind voll mit TapTaps, das
sind die öffentlichen Transport Mittel, Jeeps – oft von den Organisationen –
die man hier stark vertreten sieht. Auf den Strasse Kühe, Schweine, Hunde und
Hühner. Die Haitianer, die alles auf dem Kopf tragen. Um sich im Verkehr zu
verständigen wird hier gehupt. Blinken? Was ist das? Hupen geht doch auch! J Aber
es klappt, und auch wenn alle an einer Kreuzung gleichzeitig losfahren, kommen
alle dort an, wo sie hin wollen.
Die Haitianer sind ein offenes Volk und sie finden oft einen
Grund zum Lachen. Sie verbergen ihr Trauma tief hinter ihren Augen und wenn ihr
lächeln erstirbt, sind ihre Gesichter oft von Trauer gezeichnet. Von Leere, von
einem tiefen Schreck. Aber man kämpft hier jeden Tag ums Überleben, da bleibt
keine Zeit sich mit sentimentalem Trauern zu beschäftigen. Bereits am ersten
Tag höre ich folgenden Satz immer und immer wieder: ‚Die größte Angst die wir
haben, ist die vor einem weiteren Beben’.
Carrefour - CARE/Evelyn Hockstein |
‚Das Beben klang wie ein Schrei aus der Erde’, erinnert er
sich.
Während ich das hier schreibe dröhnt laute
kreolische Tanzmusik aus dem Club neben an. So viele Eindrücke an einem
einzigen Tag...